Berliner Gedichte
Stadtbezirk, bzw. Ortsteil |
Gedicht |
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Berlin |
Von dir muß ich scheiden, prächtiges Berlin, alle meine Freuden, die fliehen jetzt dahin, ich wünsch, daß alle andern aus dem Tore wandern, blieb ich nur in dir o wie wohl wär mir, Unter deinen Linden, wenn der Frühling kam, kann man des Abends finden, was der Tag uns nahm, Herzens-Ruh und Stärke von des Tages Werke, und in des Mädchens Arm, ruht sich’s hold und warm, prächtiger Tiergarten, bald verlaß ich, ich kann nicht länger warten, weiter reis jetzt ich. Unter deinen Schatten, wie auch auf grüner Matten, und an des Mädchens Brust, ruht sich’s voller Lust, Moabit und Pankow, wie auch Charlottenburg, künftig fahr ich
wieder eure Fluren durch, lebe wohl auch du, Lichtenberg dazu, In der Hasenheide, war ich oft vergnügt, wie auch so manche Freude mir darin verfliegt, Stunden sind verflossen, die ich so süß genossen, o du schöner Ort, warum muß ich fort? Euch, ihr Tabagien, wo viel Jubelton, Von euch muss ich fliehen, dahin, wo Kummer wohnt, in ein kleines Städtchen, da lebt man ohn ein Mädchen, man hat kaum’s liebe Brot. Still ist es, öd und tot. Liebes Mädchen, lebe wohl,
vergiss mein nicht. Lebe wohl auf immer, Dein vergeß ich nimmer bis einst des Todes Hand trennt auf unser Band Lebet wohl, ihr Freunde,
Gott verleih euch Glück
[Quelle: Handwerksburschenlied, volkstümlich]
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Berlin |
Durch Berlin fließt immer
noch die Spree, dichte bei ist noch der Müggelsee, ringsherum blüht noch der Grunewald, wo’s was Grünes gibt, für
jung und alt! Wenn die tollsten Dinge in
der Welt passiern, der Berliner wird nicht den Humor verliern! Er hält stolz die Nase in
die Höh: Denn durch Berlin fließt
immer noch die Spree! [Robert Gilbert, 1925] |
Charlottenburg |
Ich hab so Heimweh nach dem
Kurfürstendamm, hab so’ne
Sehnsucht nach meinem Berlin! Und seh
ich auch in Frankfurt, München, Hamburg oder Wien die Leute sich bemühn, Berlin bleibt doch Berlin! Ich hab so Heimweh nach dem
Kurfürstendamm, Berliner Tempo, Betrieb und
Tamtam! Hätt ich auch wo ‚ne Wohnung, und wär
sie noch so neu: Ich bleib Berlin, meiner
alten Liebe treu! Überall, selbst in dem
winzigsten Nest, gibt’ss Berliner in dieser Zeit. Kommt einer aus Rixdorf, dann gibt’s ein Fest in aller Gemütlichkeit. „Wißt
ihr noch?“ fängt einer an, „was für ein Leben das war? Da war wirklich alles dran,
Berlin war wunderbar!“ Kinder, ich singe ein Lied
von Berlin, von der Stadt, die mir alles ist! Jetzt können wir endlich
mal wieder hin, wie hab ich die Luft vermißt! Ist das denn nicht
wunderschön, daß die Blockade passe und wir wieder Lichter sehn
am grünen Strand der Spree! Alles, was gut war, das
kommt mal zurück, wenn darüber auch Zeit vergeht. Aus Glück wurde Pech, und
aus Pech wird Glück, solang sich die Welt noch dreht! Unser Brandenburger Tor hat
schon vieles gesehn, und mit Schnauze und Humor
da wird’s schon weitergehn! [Bobby Kamp, Günter Schwenn] |
Grunewald |
Im Grunewald,
im Grunewald ist Holzauktion, ist Holzauktion, ist
Holzauktion. Links um die Ecke rum,
rechts um die Ecke rum, Der ganze Klafter Süßholz kost
’n Taler, ’nen
Taler, ’nen Taler, der ganze Klafter Süßholz kost
’n Taler, ’nen
Taler kost ’er bloß! [Otto Teich] |
Pankow |
Komm’, Karline, komm’, Karline komm’! Wir woll’n nach Pankow geh’n, da ist’s so wunderschön. Ja, Pankow, Pankow, Pankow, kille, kille, Pankow, kille, kille hoppsassa.
[Quelle: Adolph Spahn, 1888]
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Pankow |
Bolle reiste jüngst zu Pfingsten, nach Pankow war sein
Ziel, da verlor er seinen
Jüngsten janz plötzlich im Jewühl. Drei volle Viertelstunden
hat er nach ihm jespürt: Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert. In Pankow gab’s kein Essen,
in Pankow gab’s kein Bier, war alles aufjefressen von all den Leuten hier. Nicht mal ’ne Butterstulle
hat man ihm reserviert: Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert. In der Schönholzer Heide,
da jab’s ’ne Keilerei, und Bolle,
jar nich feige, war feste
mit dabei. Das Messer rausjezogen und fünfe massakriert: Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert. Es fing schon an zu tagen,
als er sein Heim erblickt. Sein Hemd war ohne Kragen, das Nasenbein
zerknickt, ein Auge ausgelaufen, die Ohren marmoriert: Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert. Als er nach Haus jekommen, da jing’s ihm aber
schlecht, da hat ihn seine Olle janz mörderisch
verdrescht. Drei volle Viertelstunden
hat sie auf ihm poliert: Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert. |
Schöneberg |
War es denn nicht
wunderschön, wie wir uns vertrugen? Und beim in die Schule gehn alle Kinder schlugen. Und wie schön wir außerdem
beide immer spielten und mit Kügelchen aus Lehm
nach der Muhme zielten. Und dann rauschte sie
empört fort zu unsrer Freude, wenn den Rücken sie
gekehrt, küßten wir uns beide. Keiner hat uns zugesehn, drum war’s grad so schön. Das war in Schöneberg im
Monat Mai, ein kleines Mädelchen war auch dabei. Das hat den Buben oft und
gern geküßt, wie das in Schöneberg so üblich ist. Und wenn schlechtes Wetter
kam, spielten wir Soldatchen. Oder Braut und Bräutigam
oder Muttchen, Vatchen. Unser ältestes Kindelchen
war die große Puppe, Vater wusch die Windelchen,
Mutter kocht die Suppe. Für die Puppen und für dich
war ich der Beschirmer, und jetzt läßt du uns im Stich, mich und meine Würmer. Und mit traurigem Gemüt
singt Mama das Lied: Das war in Schöneberg im
Monat Mai, ein kleines Mädelchen war auch dabei. Das hat den Buben oft und
gern geküßt, wie das in Schöneberg so üblich ist. [Rudolf Bernauer,
Rudolph Schanzer, 1913] |
Stralau |
Auf, lasset uns nach Stralau gehn! Man kann dort mit
Vergnügen sehn sehr viele Gegenstände von
Anfang bis zu Ende. Potz alle Welt! seht nur
einmal so viele Tausend an der Zahl, die kommen angelaufen, und
das in ganzen Haufen. Schöne Jungfern,
Junggesellen, stille Köpfe und Rebellen, junge Väter, Großpapa, sehr
geplagt vom Podagra. Kupplerinnen und Koketten,
die dort werben durch Stafetten, Damen, zart und schön von
Wuchs, und mit Augen wie ein Luchs. Gurkenjungen, Kuchenkrämer,
Riemchenstecher, Geldabnehmer, Visitator bei den Taschen suchen auch etwas zu haschen. Marketender sieht man
fahren, Höker auch in ganzen Sehaaren, häßlich, schmutzig, jung und alt und von allerlei Gestalt. Modenträger, Schwedenzöpfe,
hin und wieder Patentzöpfe; mancher trägt die Waden
vorn, mancher reit’t zu Fuß mit Sporn. Alles ist für Geld zu
haben, daß ihr euer Herz könnt laben, Kaffee, Zucker und
Zwieback, habt ihr nur brav Geld im Sack. Hat man dann nach eingen Stunden durch die Menge sich gewunden, wird man hungrig, müd und matt und kriegt bald den Jubel satt. Doch das Fest geht nun zu
Ende, also schließ ich auch behende, was ich hab in Reime
bracht. Drum für heute: Gute Nacht! |
Tempelhof |
Ick bin in Tempelhof jeboren Der Flieder wächst mich aus die Ohren. In meinem Maule grast die Kuh. Ick geh zuweilen sehr und schwanger Auf einem Blumen-i-o-anger Mein Vater, was sagst Du dazu?
Wir gleichen sehr den Baletteusen, Pleureusen – Dösen – Schnösen – lösen. Gewollt zu haben – selig sein.
Verehrte Herrn, verehrte Damen, Die um mich hören herzu kamen Dies widmet der Gesangverein.
Und Jungfraun kamen wunderbar Geschmeide scheidegelb im Haar Mit schlankgestielten Lilien.
Der Kakagei und Papadu Die sahen auch dabei dazu Und kamen aus Brasilien.
[Quelle: Klarinetta Klaball, Pseudonym von Hugo Ball]
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Tempelhof |
Wat hab’n
wir for ’ne Kirche bei uns in Tempelhof? Die Kirche is mit Stroh gedeckt, da hab’n
die Mäuse drin geheckt. Ja, ja, ja, bei uns in
Tempelhof. Wat hab’n
wir for ’ne Orgel bei uns in Tempelhof? Die Orgel, die is gar nicht da, da spielt man Mundharmonika. Wat hab'n
wir for 'n Küster bei uns in Tempelhof? Des Sonntags is er Organist, in der Woche fährt er Pferdemist. Wat hab’n
wir for ’ne Schule bei uns in Tempelhof? Die Schule is aus Lehm gebaut, die wackelt, wenn der Lehrer haut. Wat hab’n
wir for ’ne Feuerwehr bei uns in Tempelhof? Die kommt erst immer
angerannt, wenn allens schon is
abgebrannt. Wat hab’n
wir for ’n Barbierer bei
uns in Tempelhof? Der spuckt die Leute ins
Gesicht, da braucht er keene Seefe
nich. Wat hab’n
wir for ’n Bäcker bei uns in Tempelhof? Der Bäcker beißt die
Schrippen an und sagt, das Ende war nich dran. Wat hab’n
wir for ’n Maurer bei uns in Tempelhof? Der schiebt die Steine hin
und her und denkt: Wenn’t bloß erst sechse wär! Wat hab’n
wir for ’n Schuster bei uns in Tempelhof? Der Schuster is ’n böser Mann, der klebt die Sohlen mit Spucke an. |
Weißensee |
Ich weiß ein Flecken in Groß Berlin, es liegt nicht grade an der Spree, da zieht’s mich immer wieder hin, es ist mein liebes Weißensee.
[Quelle: „700 Jahre Weißensee“, 1937; Bezirksverwaltung Weißensee]
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