Die „Griese Gegend“
Wo liegt die „Griese Gegend“
überhaupt? Das ist das Stück im Südwesten Mecklenburgs, wo es viel Sand und
Heide, meist Kiefern und Birken, aber auch Erlen und Eichen gibt. Die Dörfer liegen
weit auseinander, es ist das ebene Land zwischen Elde und Sude. Der Boden ist
ein feiner, gelblicher oder weißer, mahlender Sand. Zwischen den ausgedehnten
Kiefernwäldern ziehen sich an den Flüssen flache Täler mit Wiesen und Weiden
entlang. In den feuchten Wäldern pflückt man zur Sommerzeit die „Bickbeeren“
(Blaubeeren), sammelt Pilze, zur Herbstzeit findet man das schöne Heidekraut.
Und freut sich, wenn sich Bienen auf den Blüten tummeln.
Roggen und Kartoffeln
gedeihen bei guter Düngung prächtig. Auf den Weideflächen wächst gesundes Vieh
heran. Die weiten Wiesen geben duftendes Heu. Die Leute der Griesen Gegend
„snacken plattdütsch“ und sind gern zurückhaltend. Wenn sie aber auftauen, wird
man mit unseren Menschen so richtig warm. Schade, dass ein Schmuck unserer
Heimat in früherer Zeit – die meisten Strohdächer schon verschwunden sind.
Unsere Gegend kann sich nicht mit der mecklenburgischen Seenplatte, der
mecklenburgischen Schweiz oder der Badeküste im Norden vergleichen. Aber schön
ist sie doch!
Untersuchungen ergaben, dass
wahrscheinlich nicht, wie allgemein angenommen, der graue Sandboden, also
„Gries“ (= grau) unserer Gegend zu ihrem Namen verholfen hat. Es gibt, wie wir
noch sehen werden, mehrere Versionen.
Der Sandboden der „Griesen
Gegend“ besteht zumeist aus sehr nährstoffarmen Quarzsand und ist seinem
oberflächlichen Aussehen nach „gries“, d. h., seine Farbe ist grau bis
aschgrau. Ein weiteres Merkmal ist die häufig in einer Tiefe von ungefähr 30
bis 60cm anzutreffende rostig braune und fest gewordene Schicht als „Bulle(r)“
bezeichnet. Der genaue Name lautet jedoch Ortstein.
Eigentümlich ist, dass
Volkskundler wie Geinitz, Koch und der Ludwigsluster Sabban in ihren Arbeiten
über Mecklenburg den Namen „Griese Gegend“ gar nicht erwähnten. Ist hieraus zu
entnehmen, dass sie den Namen „Griese Gegend“ nicht mit der griesen Bodenfarbe
in Verbindung brachten?
Vor dem 1. Weltkrieg wurden
auf der Feldmark Boek und Groß Laasch Düngungsversuche durchgeführt. Becker
veröffentlichte dazu 1914 eine Broschüre „Aus ‚de grise Gegend’ von Mecklenburg
Schwerin“. Auch er bezog die griese Farbe des Bodens nicht auf die Farbe der
Landschaft. Aber, wie sollte er denn auch! Denn der von ihm untersuchte Boden
war meistens durch Heidehumus schwärzlich gefärbt. Sprachliche Betrachtungen
und Mundarten führen auch zu keinem sicheren Schluss. Man findet folgende
Schreibweisen: gries(e) Gegend, gris(e) Gegend, grieße Gegend, grieße Jeigend.
Doch gries, gris usw. bedeutet nicht Sand(fläche). Das „Mecklenburgische
Wörterbuch“ führt auf mehreren Seiten die Bedeutung „grieß“ an, jedoch auch
nicht für Sand. So bedeutende Kenner der „Griesen Gegend“ wie Folkerts,
Gillhoff, Schlüter u. a. erklären nicht den Namen und deuten auch nicht: Griese
Gegend kommt von der griesen Farbe des Bodens.
Friedrich Rehm schrieb schon
1925 in dem plattdeutschen Aufsatz „Uns plattdütsch Heimat“, ich zitiere
wörtlich:
„Ich glöw, tau den Namen
Gries’ Gegend hett nich dei Sand, ne, dor hebben woll Mannslüd un Schap
Gevadder stahn.“
Bis um die Mitte des 19.
Jahrhunderts gab es in der Gegend kaum größere Höfe, die anfallende Arbeit war
von den Männern bald getan. Deshalb zogen aus den großen Dörfern viele, meist
jugendliche Männer in die besseren Gegenden Mecklenburgs mit Gütern oder wo
größere Bauernstellen waren. Hier halfen sie bei der Ernte und verschafften
sich zusätzlich einen Nebenverdienst. Diese Erntehelfer trugen eine
einheitliche Kleidung. Diese war ein graues (grieses) Zeug, das Rehm so
beschrieb. Durch diese Kleidung unterschieden sie sich von den Bewohnern der
Gegenden, wo sie Arbeit suchten. Die Arbeitsleute aus „unserer“ Gegend wurden
wegen ihrer einheitlichen Arbeitskleidung die „Griesen“ genannt. Da die Griesen
alle aus einer Gegend kamen, erhielt sie den Namen „Griese Gegend“.
Später wurden die
Arbeitsleute aus der „Griesen Gegend“ durch fremdländische Schnitter verdrängt.
Dadurch geriet die Herkunft der Bezeichnung „Griese Gegend“ in Vergessenheit
und wurde allmählich auf Land und Sand unserer Heimat bezogen. Es ist
einleuchtend, dass vielleicht also die Träger der griesen Arbeitstracht zwischen Elde und Sude den Namen „Griese
Gegend“ gegeben haben.
(aus Ortschronik Eldena 1979, gekürzt)
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